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Anfangs belächelt, inzwischen omnipräsent: Immer häufiger setzen Unternehmen auf NFTs, um ihre Produkte zu vermarkten. Aus der nerdigen Technologie ist ein weltweiter Massenmarkt entstanden, mit vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten. Auch für die Printbranche.

 Das Digital-Kunstwerk „Everydays: The first 5000 Days“ des Künstlers
Mike Winkelmann wurde von einem NFT-Fond erworben.

Als der Hammer am 11. März 2021 im altehrwürdigen Auktionshaus Christie’s fiel, staunte die Kunstwelt nicht schlecht. Verkauft: die Bildercollage „Everydays, the first 5000 Days“ von Mike Winkelmann alias Beeple – für die stolze Summe von 69,3 Millionen US-Dollar. Das mediale Echo war gigantisch und Winkelmann, der seinen Erfolg auf Twitter mit einer Champagnerdusche zelebrierte, fand sich schlagartig unter den Top Drei der höchstbezahlten noch lebenden Künstler wieder – nach Jeff Koons und David Hockney. Warum man die Korken nicht nur in einem Tweet, sondern überall in der Kreativbranche knallen hörte, lag an der Art, wie der Webdesigner aus Charleston sein Mammut-Wimmelbild los wurde: als Non-Fungible Token, kurz NFT.

Was sind NFTs?

Non-Fungible Token sind im Grunde Echtheitszertifikate, die den Besitz an digitalen oder physischen Gegenständen abbilden. Gespeichert und übertragen werden NFTs auf einer Blockchain. Dadurch können sie weder gefälscht noch vervielfältigt werden. Blockchains sind dezentrale Netzwerke, die auch für Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ethereum eingesetzt werden und in denen Transaktionen in einem transparent-einsehbaren Register erfasst werden. NFTs werden dort als Smart Contracts ausgeführt – automatisierte Programmcodes, die in ihrer Funktion klassischen Verträgen ähneln. In ihnen ist unter anderem ein Link zur Originaldatei enthalten. Mit dem Token selber wurde das eigentliche Beeple-Bild also nicht erworben, sondern lediglich der Besitzanspruch. Im Gegensatz zu Kryptowährungen, die wie Euro oder Dollar, immer austauschbar, also fungibel sind, handelt es sich bei NFTs um einzigartige Token, die nicht kopiert oder gestückelt werden können.

Antwort auf die Copy-Paste-Kultur

Das Konzept der Ownership spielt eine wichtige Rolle für den raschen Mainstream-Erfolg der eigentlich nerdigen Technologie. Eine Bilddatei kann zwar mit wenigen Klicks auf den eigenen Rechner gezogen werden, damit gehört sie einem jedoch nicht. Durch NFTs war es erstmals möglich, den Besitz von Dateien wie Bilder und Musik, aber auch an physischen Objekten nachzuweisen. Beglaubigt vom Künstler, unfälschbar auf der Blockchain gespeichert. Vor dem Durchbruch der Technologie wäre eine Auktion wie die von Christie’s undenkbar gewesen. In NFT-Form ließ sich auch einer digitalen Bilddatei ein finanzieller Wert zuschreiben. Zählten zu Anfang vor allem Künstler zu den großen Profiteuren, hat sich das Spielfeld inzwischen stark erweitert. Fußballclubs wie der FC Liverpool verkaufen Sammelkarten als NFTs, Musikbands ganze Alben, Sportartikelhersteller Nike Sneakermodelle. Mit NFTs lässt sich jeder beliebige Inhalt monetarisieren, auch die Übertragung von Exklusivrechten oder Lizenzen ist möglich. Durch die Blockchain sind sie zudem ohne Mittelsmänner in sekundenschnelle handelbar.

Das Forbes-Cover spielt mit einer Animation der Brüder Cameron and Tyler Winklevoss und wurde als „One-of-a-kind“-NFT verkauft.

„Buy this column on the blockchain“ war als Experiment geplant und wurde teuer verkauft.

Das Forbes-Cover spielt mit einer Animation der Brüder Cameron and Tyler Winklevoss und wurde als „One-of-a-kind“-NFT verkauft.

„Buy this clumn on the blockchain“ war als Experiment geplant und wurde teuer verkauft.

Von Print ins Digitale

NFTs ermöglichen fließende Übergänge vom Analogen ins Digitale, wodurch sich auch Anknüpfungspunkte für den Printbereich ergeben können. Allein Zeitungsverleger haben zwischen April 2021 und 2022 laut pressgazette zwölf Millionen US-Dollar über NFTs eingenommen. Mit einer Sonderausgabe zu Ethereum-Gründer Vitalik Buterin veröffentlichte das Time Magazin im März das erste Magazin in NFT-Form. New York Times-Redakteur Kevin Roose versteigerte eine seiner Kolumnen mit dem vielsagenden Titel „Buy This Column on the Blockchain!“ als NFT für 560.000 USDollar. The Economist verkaufte das Cover „Down the rabbit hole“ für 99,9 Ether, damals 420.000 US-Dollar – und behält dank Smart Contract zehn Prozent aller zukünftigen Weiterverkäufe ein. Forbes hat sich für 408.000 US-Dollar von dem Token „Merchants of the Metaverse“ getrennt und die Nachrichtenagentur Associated Press betreibt inzwischen eine eigene NFT-Plattform für Fotojournalisten.

Spekulanten treiben den Preis

Wo neue Investitionsmöglichkeiten entstehen, wird auch viel spekuliert und so mögen viele der erzielten Preise verzerrt sein. „Buy this Column on the Blockchain!“ beispielsweise war eigentlich eher als Scherz gedacht. Immerhin: Der Käufer erhielt neben einem Bild der Kolumne im PNG-Format ein persönliches Sprachmemo von The Daily Moderator Michael Barbaro und eine Erwähnung in einem Folgeartikel. Der Anreiz, solch hohe Summen für ein NFT auszugeben, liegt aber vor allem in dem erhofften Sammlerwert, oder wie der Kolumnist Kevin Roose sagte, darin, „ein Stück Geschichte zu besitzen“. Einen Mehrwert, der über eine Bilddatei hinausgeht, bieten viele hochpreisige NFTs nicht. Durch die ersten Rekorderlöse hat sich aber eine Eigendynamik verselbstständigt, die Investoren auf das „nächste“ Beeple- Bild wetten ließen und im Krypto-Jargon gern als FOMO bezeichnet wird: Fear of missing out – die Angst, etwas zu verpassen. Ob NFTs in der Masse aber wirklich als Wertanlagen taugen, wird sich in Zukunft erst noch zeigen müssen.

Buchprojekte mit NFTs unterstützen

Mit einem Fokus auf den Buchmarkt ist Verlags-Dienstleister Bookwire ebenfalls mit einer NFT-Plattform an den Start gegangen. Über „Creatokia“ können Verleger oder Autoren Text- und Audioinhalte, beispielsweise Manuskripte oder Hörbücher, als NFTs erstellen und über den angeschlossenen Marktplatz direkt verkaufen. Dabei wird zunächst ein digitales Original erstellt, etwa von einem E-Book, das in seiner Stückzahl limitiert ist und dem Besitzer den Download der Datei ermöglicht. Da die digitalen Originale auch gegen Euro erhältlich sind, gewährleistet Creatokia einen niedrigschwelligen Zugang. Anschließend können die Originale geminted, also in NFT-Form gepresst und so weiterverkauft oder versteigert werden. Verleger können die Stückzahl limitierter Auflagen selbst festlegen und zwischen verschiedenen Auktionsformen wählen. Die Idee hinter Creatokia ist nicht, das gebundene Buch durch NFTs zu ersetzen. Vielmehr werden Möglichkeiten geschaffen, Buchprojekte mit zusätzlichen exklusiven Materialien als NFTs anzureichern – und dabei noch eine müde Mark zu verdienen. An jedem Weiterverkauf der NFTs werden Verlage und Autoren beteiligt.

Aller Anfang ist schwer

NFTs üben eine Scharnierfunktion für den Zugang zum Digitalmarkt aus und sorgen dabei für neue Monetarisierungsquellen. Als verlängerter Arm in den Cyberspace sind sie vor allem aus Marketingsicht höchst interessant. Multimediale Projekte lassen sich zu geringen Kosten und mit wenig Personalaufwand umsetzen. Dabei ist technisches Vorwissen hilfreich, aber kein Muss. Auf Plattformen wie OpenSea wird der Laie Schritt für Schritt durch den gesamten Prozess begleitet. Mit Hilfe vorgefertigter Bausteine lassen sich die meisten Projektideen auch für Einsteiger unkompliziert umsetzen. Einzige Voraussetzungen sind: eine Wallet wiebeispielsweise Metamask und etwas Startkapital in der Kryptowährung Ether für die Gebühren und die Erstellung der Token, auch Minting genannt. NFTs erfordern etwas Eingewöhnung, weshalb der Umgang mit Kryptowährungen vielleicht nicht jedem sofort liegt. Nach dem ersten NFT wird es aber zum Selbstläufer. Wer eBay bedienen kann, sollte auch damit keine größeren Schwierigkeiten haben.

DIE EINKEHR DER ANALOGISIERUNG
Transformation einmal anders herum: Aus digitalen Daten werden analoge Objekte. Was wir von Fotobüchern und Mousepads kennen, bekommt durch NFTs eine ganz andere Dimension, vermuten Experten.

NFTs im Wandel

NFTs erschöpfen sich längst nicht mehr in der Abbildung von Bilddateien. Mit Loyalty-Programm lassen sich Käufer bzw. Kunden langfristig binden, etwa durch die Beteiligung an Lizenzen. Eine weitere Möglichkeit sind „redeemable NFTs“, also einlösbare Token, die freien Eintritt zu Events oder physische Gegenstände als Beigabe ermöglichen – ein Abzug eines Bildes, eine Magazinausgabe oder Merch-Artikel. Zu ihrem 2021 erschienenen Album hat die Rockband Kings of Leon beispielsweise drei verschiedene NFT-Kollektionen angeboten, darunter „goldene Tickets“, mit denen Konzertkarten freischaltet werden, die per QR-Code lebenslangen Eintritt zu Konzerten gewähren. Mit den Standardtoken erhielten Käufer eine exklusive Vinyl-Ausgabe. Beispiele wie diese zeigen, dass der Nutzen von NFTs über das Digitale hinausgehen kann. Über Markplätze wie Rarible und Nifty werden reedemable NFTs allmählich massentauglich.