#Menschen
Interview: Stefanie Matousch
und könnten unterschiedlicher nicht sein. Sie kommt von Film und Fernsehen, er arbeitet als Head of Sustainibility and Certifications für oeding print. Ihre gemeinsame Mission? Die Welt ein Stück weit besser machen – mit veganen Kinderbüchern. Doch wie druckt man eigentlich vegan – und warum?
#pp: Frau Himmelsbach, wie kommt man auf die Idee, vegane Kinderbücher zu verlegen?
MOÏRA HIMMELSBACH (MH): Meine Familie und ich leben seit einigen Jahren vegan. Wir kaufen auch kein Leder oder Wolle. Unsere Kinder bekommen auch im Kindergarten und in der Schule veganes Essen. Wir haben entschieden, für sie die Verantwortung zu übernehmen, solange sie die Auswirkungen ihres Konsums noch nicht einschätzen können. Aus diesem Grund ist es mir wichtig, unsere Werte unseren Kindern altersgerecht zu vermitteln. Da es kaum Bücher zum Thema gab, war für mich klar: Ich gründe den veganen Kinderbuchverlag. Über eine Internet-Recherche bin ich dann auf die oeding print GmbH gestoßen, einen Full-Service- Printdienstleister – und schließlich mit Roland Makulla in Kontakt gekommen.
ROLAND MAKULLA (RM): Frau Himmelsbach war auf der Suche nach einer veganen Druckerei und ist auf uns aufmerksam geworden. Denn wir waren quasi zeitgleich mit 100 Prozent veganen Druckprodukten an den Markt gegangen. Und damit haben wir offensichtlich einen Nerv getroffen. Insbesondere, weil wir mit dem V-Label ein bekanntes und glaubwürdiges Label im Boot hatten.
#pp: Was genau ist an einem Buch eigentlich nicht vegan?
RM: Ganz ehrlich? Wir waren selbst überrascht, wo sich überall tierische Inhaltsstoffe verstecken können. Farben und Klebstoffe hatten wir natürlich als Erstes im Blick. In Farben können beispielsweise Bindemittel aus tierischen Fetten oder Pigmente, wie der Farbstoff Karmin, enthalten sein, der aus Schildläusen gewonnen wird. Klebstoffe können Gallerte und Glutin aus Tierhäuten und Knochen beinhalten. Auch Papier besteht aus weit mehr als rein pflanzlichem Zellstoff. Leime zur Verbesserung der Nassfestigkeit oder Binde- und Hilfsmittel für die Oberflächenveredelung von gestrichenen Sorten können Gelatine, Kasein (aus Milchprotein) und weitere Stoffe tierischen Ursprungs enthalten. Eine echte Überraschung war übrigens der Heftdraht. Der wird weniger bei Büchern, dafür aber häufig zur Bindung von Zeitschriften oder Broschüren verwendet. Hier kommen bei der Herstellung sogenannte Ziehmittel zum Einsatz, um den Draht flüssiger beziehungsweise gleitender zu machen. Und genau hier verstecken sich Substanzen tierischen Ursprungs.
MH: Auch aus inhaltlicher Sicht sind die meisten Kinderbücher alles andere als vegan. Viele fördern die kognitive Dissonanz, indem sie zum Beispiel das Thema Bauernhof oder auch das Thema Zoo romantisieren. Es wird vorgegaukelt, die Tiere dort hätten ein wunderbares Leben. Kinder lieben Tiere. Sie wollen sie streicheln, füttern und Zeit mit ihnen verbringen – und sie verstehen nicht, dass die Milch in ihrem Müsli von einer Mutter kommt, die ihr Baby vermisst. Wir führen Kinder sanft an das Thema Veganismus heran, ohne sie zu verängstigen, indem wir zum Beispiel die Perspektive der Tiere in eine Geschichte einbetten.
#pp: Herr Makulla, haben Sie denn ein Erfolgskonzept im veganen Drucken gesehen?
RM: Wir gehören zu den Pionieren im Bereich Green Printing, und veganes Drucken war für uns im Grunde ein logischer nächster Schritt. Der letztendliche Anstoß kam übrigens von einer anderen kritischen Kundin. Sie wollte wissen, ob wir ihr veganes Kochbuch auch vegan drucken können. Nach intensiven Diskussionen haben wir uns entschieden, dieses Thema anzugehen. Der vegane Lebensstil ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Immer mehr Menschen entscheiden sich für Produkte ohne tierische Inhaltsstoffe. Bei Lebensmitteln, bei Kosmetik, bei der Kleidung. Deshalb macht es durchaus Sinn, auch vegan zu drucken. Das ist letztendlich nur konsequent.
#pp: Haben Sie sich aus diesem Grund dazu entschieden, mit dem V-Label zusammenzuarbeiten?
RM: Ganz genau. Als bekanntes Markenzeichen mit etablierten Standards garantiert es Transparenz und Glaubwürdigkeit. Daraus entstand dann ein neuer Branchenstandard für vegane Druckprodukte. Im Übrigen ergänzt das VLabel als ethisches Label auch perfekt unser breites Portfolio an Umweltzertifizierungen wie dem Blauen Engel oder FSC®.
#pp: Sind Sie denn auch Veganer, Herr Makulla?
RM: Tatsächlich inzwischen ja. Es war aber eine eher schrittweise Entwicklung, die meine Frau und ich durchlebt haben. Trotzdem bleiben wir kompromissbereit. Unser Nachbar, ein alter Bauer, hat seine Einstellung zu Tieren komplett verändert. Mit über 90 Jahren kümmert er sich rührend um eine kleine Schar von Hühnern, die viel Auslauf und ein gutes Leben haben. Wenn er uns Eier anbietet, sagen wir nicht nein. Oder wenn gute Freunde Honig von ihren eigenen Bienen mitbringen. Ansonsten sind wir ziemlich konsequent. Und das aus Überzeugung.
Wer ist eigentlich…?
MOÏRA HIMMELSBACH ist von Haus aus Filmemacherin. Geschichten zu erzählen, ist jedoch ihre große Passion – egal ob für TV oder Print. Mit ihrem eigenen Verlag „Der vegane Kinderbuchverlag Next Level“ in Köln hat sie ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht.
Wer ist eigentlich…?
Roland Makulla arbeitet als Head of Sustainibility and Certifications bei der oeding print GmbH in Braunschweig, einem Full-Service- Printdienstleister mit dem Schwerpunkt Industrie-, Kunst- und Werbedruck. Er bezeichnet sich selbst als Protagonist für Nachhaltigkeit im Unternehmen.
#pp: Der Veganismus ist doch schon seit vielen Jahren ein großes Thema. Wieso gab es hierzu noch keine Kinderbücher?
MH: Gute Frage. Vermutlich liegt das daran, dass der Veganismus erst seit ein paar Jahren sichtbar für das breite Publikum ist. Das liegt zum Beispiel auch daran, dass es heute viele Milchalternativen im Supermarkt gibt. Ich persönlich bin seit meiner frühen Kindheit Vegetarierin, was damals noch als exotisch galt. Heute ist das ja schon „normal“ und gesellschaftlich anerkannt. So wird es vermutlich auch mit dem Veganismus kommen.
#pp: Stimmt es, dass Sie die Bücher anfangs mit einem Crowdfunding realisiert haben, Frau Himmelsbach?
MH: Das ist richtig. Zumindest was die ersten beiden Bücher betrifft. Somit konnten wir die gesamten Druckkosten decken. Und zudem haben wir gesehen, dass die Nachfrage für vegane Kinderbücher da ist.
#pp: Wer genau ist denn die Zielgruppe?
MH: Vor allem Eltern, die kleine Kinder einfühlsam an das Thema heranführen möchten. Unsere größte Herausforderung ist das Sichtbarmachen unserer Bücher im Internet. Denn vegane Eltern suchen selten in einem Buchladen nach veganen Kinderbüchern, sondern eher im Internet.
RM: Für uns als Druckdienstleister sind all jene als Zielgruppe interessant, die entweder selbst vegane Produkte anbieten oder Bücher zum Thema Veganismus publizieren. Gemeinsam mit diesen Pionier:innen konnten wir bereits viele spannende Projekte umsetzen. Ein großer Naturkosmetikhersteller lässt seine gesamten Werbedrucksachen inzwischen vegan herstellen. Dazu kommen eine Reihe von Verlagen und Organisationen, die ihre Produkte vegan drucken, aus bestimmten Gründen aber noch auf ein Labeln verzichten.
#pp: Frau Himmelsbach, Ihre Kinder sind fünf und acht. Was sagen sie zu Ihren Büchern?
MH: Die beiden sind oft in den Entstehungsprozess der Bücher eingebunden. Ich lese ihnen zum Beispiel eingereichte Skripts vor und wir sprechen dann darüber. Sie sind also wichtige Feedbackgeber:innen für mich. Entsprechend begeistert sind sie dann, wenn ein neues Buch erscheint. Auch wenn der Veganismus für die beiden Normalität bedeutet, ist es gut für sie zu sehen, dass es immer mehr Bücher gibt, die ihre eigene Lebensrealität abbilden.
#pp: Sollte sich der vegane Druck langfristig durchsetzen?
RM: Das ganze Thema ist ja noch relativ neu und muss sich am Markt erst etablieren. Themen wie FSC®-Papier aus verantwortungsvoller Waldwirtschaft oder der Blaue Engel für Druckprodukte mussten in der Vergangenheit eine ähnliche Phase durchlaufen – verbunden mit entsprechender Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit. Dazu kommt, dass Druckereien für die Zertifizierung alle eingesetzten Materialien einer genauen Prüfung unterziehen müssen. In der Praxis ist dafür der Aufwand deutlich größer als die Kosten. Und genau hier setzen wir aktuell mit dem V-Label an und suchen nach Möglichkeiten, Arbeitsschritte zu standardisieren und damit den Aufwand zu reduzieren.
#pp: Welche Projekte stehen denn zukünftig noch an?
RM: Neben dem Thema veganes Drucken beschäftigen wir uns aktuell noch intensiv mit der Zukunft von Print vor dem Hintergrund einer rasant fortschreitenden Digitalisierung und einer zunehmend kritischen Haltung gegenüber dem Medium Print. Aus unserer Sicht muss unsere Branche offener mit der Kritik umgehen und anstatt am Gestern zu kleben, aktiv nach Lösungen suchen. Digitale Technologien sind nicht das Ende von Print. Sie sind eine perfekte Ergänzung, und intelligent zusammengeführt werden aus Print & Digital ziemlich beste Freunde.
MH: Leider gibt es sehr wenige professionelle Autor: innen, die sich mit Veganismus beschäftigen, weshalb wir nicht so viele Bücher auf den Markt bringen können, wie wir gerne würden. Im Herbst erscheint aber ein neues Buch über den veganen Alltag mit Kindern. Eine Sammlung von kurzen Geschichten für ganz kleine Kinder, zum Beispiel zum Thema Einkaufen. Statt der Kuhmilch und dem Käse landen dann eben Tofu und Sojamilch im Einkaufswagen. Und statt dem Zoo wird mit Papa der Lebenshof besucht… #
Über die Autorin
Stefanie Matousch
Von München in die Weltstadt Hamburg – und kürzlich nach Ahrensburg in Schleswig-Holstein gezogen. Auch wenn ihr Leben jetzt in geregelteren Bahnen verläuft – für gute (Print-)Geschichten und spannende Menschen brennt die Journalistin auch heute noch.
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