#Menschen
Text: Burkhard Zimmermann
Das Startup Wunderpen in Berlin hat Maschinen, die den ganzen Tag lang Karten und Briefe für das Marketing von Unternehmen schreiben, und zwar wie von Hand gemacht – bei den Empfängern rufen diese Aussendungen bisweilen große Gefühle hervor.
Text: Burkhard Zimmermann
Das Startup Wunderpen in Berlin hat Maschinen, die den ganzen Tag lang Karten und Briefe für das Marketing von Unternehmen schreiben, und zwar wie von Hand gemacht – bei den Empfängern rufen diese Aussendungen bisweilen große Gefühle hervor.
Möbel nutzen sich ab, Erinnerungen nicht. Peter Lecour sitzt in einem Konferenzraum der Büros von Wunderpen in Berlin-Reinickendorf, an der Wand hängt ein großer Bildschirm, daneben weiße Waben aus Kunststoff. In der Ecke steht ein rotes Sofa mit etwas verbeultem Bezug, es scheint nicht ganz zum modernen Rest der Einrichtung zu passen. „Wir haben 2015 das Unternehmen bei mir in der Küche gegründet, und ein Jahr später haben wir unsere ersten Räume bezogen“, sagt Lecour, heute Geschäftsführer der Firma. „Wir hatten so gut wie kein Geld, diese Couch haben wir damals für 20 Euro bei Ebay Kleinanzeigen geschossen. Seitdem begleitet die uns, sie ist ein nostalgisches Element geworden. In stressigen Zeiten habe ich da auch schon drauf übernachtet.“
Wer ist eigentlich … ?
Wer ist eigentlich … ?
Peter Lecour hat 2015 sein Unternehmen gebootstrapped, also aus eigenen Mitteln gegründet – ein Jahr später kamen die Brüder Dominik und Felix von Braun als Kapitalgeber hinzu. Seitdem ist Wunderpen auf 46 Mitarbeiter aus 12 Nationen angewachsen.
Und stressig war es am Anfang bestimmt häufiger, denn mit Wunderpen wollte Lecour etwas schaffen, was kaum jemand sonst konnte: Massenhaft Karten und Briefe von Maschinen schreiben lassen, und zwar mit einem Stift, wie von Hand. Als Leiter des Offline-Marketings bei einem Lebensmittelversand hatte er das einmal ausprobiert: 1.000 Karten mit einem kurzen Dankeschön an Kunden, die unlängst etwas gekauft hatten, kein tolles Design, kein Gutschein – diese einfachen Karten brachten anschließend eine Conversion Rate von 17 Prozent, ein unglaublich gutes Ergebnnis. Daraus entstand die Idee, sich mit einem solchen Service selbständig zu machen, und wie alles anfing, sieht man jetzt im Flur vor dem Besprechungsraum. Dort hängt an der Wand ein Kasten aus braunen Brettern mit Schienen und Kabelbündeln, er wirkt ein bisschen wie ein Drucker mit einem hölzernen Gehäuse – die allererste Schreibmaschine von Wunderpen. „Sie wurde auf der Basis eines Bausatzes für 3D-Drucker von Studenten aus Stuttgart in einer Garage entwickelt“, erklärt Lecour. „Das Ding sieht abenteuerlich aus, aber es konnte Briefe mit einem echten Stift schreiben. Dazu wurde eine Software programmiert, welche Textdateien in Handschrift-Arten umsetzen konnte. Wir haben das Unternehmen, das dieses System entworfen hat, dann übernommen und die Technologie weiterentwickelt.“ Und zu entwickeln gab es einiges: „Anfangs hatten wir acht Maschinen, und wenn die alle gleichzeitig liefen, war immer ein Gerät kaputt“, sagt er. „Das war war eine ständige Baustelle.“
Anstatt dieser Baustelle hat Wunderpen jetzt eine Werkstatt, in der es seine Schreibmaschinen selbst herstellt. Peter Lecour öffnet die Tür zu einem Arbeitsraum, überall liegen Werkzeuge herum, auf Arbeitstischen stehen Türme aus Plastik mit beschrifteten Schubladen, in die kleine Teile säuberlich einsortiert sind. Das Herzstück der Werkstatt ist eine CNC-Maschine, das CNC steht für Computerized Numerical Control: Sie wird von einem Computer gesteuert und kann Bauteile in sehr individuellen Formen präzise herstellen. „Im Jahr 2017 ist Ahmad Taleb als Chief Technological Officer zu uns gekommen, er ist ein Experte für Software und Robotik und hat die Schreibmaschinen komplett neu entwickelt“, sagt Lecour. „Eine große Herausforderung ist dabei, dass die Geräte verschiedene Papiersorten sauber einziehen und auswerfen müssen, von dünnem Papier über Briefumschläge bis zu Postkarten.“
Jetzt laufen die Geräte von Wunderpen wie am Schnürchen, schön säuberlich schreiben sie ihre Briefe und Karten, und es ist faszinierend, ihnen dabei zuzuschauen. Am Ende des Flurs betritt Peter Lecour einen großen Raum, in dem seine 65 Geräte in ordentlichen Reihen aufgestellt sind: Leise summen und klappern sie vor sich hin, in jeder steckt ein Stift in einer Halterung und gleitet akkurat über das Papier. Die Handschriften, mit denen die Maschinen schreiben, wirken ausgewogen und harmonisch, etwa 20 unterschiedliche Schriften hat Wunderpen in seinen Programmen. Die Maschinen schreiben mit Kuli, Gelroller oder Füller, schieben die fertige Korrespondenz in gelbe Versandkästen, ziehen dann die nächste Karte, den nächsten Brief, den nächsten Umschlag ein – etwa eine Minute braucht eine Maschine pro Karte, rund zwei Millionen Schriftstücke schreiben sie pro Jahr: Dass sie nicht von Menschen geschrieben wurden, ist auf den ersten und auch auf den zweiten Blick nicht zu erkennen. Zu den Unternehmen, die schon bei Wunderpen ihre Mailings haben schreiben lassen, gehören große Namen wie Kiehl’s, Fleurop, Adidas, L’Oréal und Audi – die Preise von etwa einem Euro pro Postkarte sind diesen Unternehmen die Investition wert, und Lecour weiß, warum. „Viele Marketing-Entscheider fangen an zu verstehen, dass hochwertige Kundenkommunikation langfristig mehr auf den Unternehmenserfolg einzahlt als eine kurzfristige Verbesserung des Return on Investment“, also der Kapitalrendite, erklärt er. „Unsere Mailings sind pro Stück deutlich teurer als vergleichbare Druckprodukte, dafür erreichen wir aber Kundengruppen im Bestand, die auf Aktionen wie E-Mail-Marketing oder Printprodukte keine Resonanz mehr zeigen.“ Und das wird von den Auftraggebern durchaus wahrgenommen. „Einmal haben wir eine Mailing-Aktion mit Kiehl’s gemacht, und danach sind etwa 50 Prozent der Empfänger mit ihrem Gutschein in die Filiale gekommen“, erinnert er sich. „So eine Quote ist sensationell gut.“
Für den Empfänger hat das eine fast magische Note: Die Anschrift, die Botschaft, der Abschiedsgruß – all das erreicht ihn als harmonische Linie, aufgetragen wie von einer menschlichen Hand. Fast fühlt sich so ein Schriftstück an wie ein gemalter Gedanke, und es kann überraschende, manchmal intensive Gefühle hervorrufen. „Es ist mal ein Kunde mit einem Blumenstrauß in die Filiale eines Herstellers von Hörgeräten gekommen, weil er sich persönlich bedanken wollte für die nette Karte, die er bekommen hatte“, sagt Peter Lecour, aber bisweilen sind auch stärkere Emotionen im Spiel. „Einmal hat ein Möbelhaus eine Werbeaussendung gemacht, die unterschrieben war mit ‚Claudia‘, und ein paar Tage später hat eine extrem aufgebrachte Dame in der Zentrale angerufen und nach Claudia gefragt: Sie wollte die Frau ans Telefon kriegen, die ihrem Mann so einen Brief schreibt und ihn zu sich einlädt.“ Aufrichtige Dankbarkeit und echte Leidenschaft als Ergebnis von Marketing – eigentlich unbezahlbar. #
Über den Autor
Burkhard Maria Zimmermann
Burkhard schreibt seit über 20 Jahren über alles Mögliche; hinzu kommen einige Sachen, die schwer einzuordnen sind – der Rest landet im Ordner „Vermischtes“. Eine völlig willkürliche Auswahl seiner Texte finden Sie hier: torial.com/burkhard-maria.zimmermann
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