#Wissen

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Text: Burkhard Zimmermann
Printed Electronics sind eine Revolution in der Welt des Druckens: Mit speziellen Tinten fertigen Druckmaschinen elektronische Geräte wie Batterien, Displays, Sensoren und Solarzellen – und der Markt wächst schnell.
Sachen gibt’s, die gibt’s. „Im vergangenen Jahr haben wir während der Messe Luxe Pack in Monaco besonders gestaltete Werbekarten für unsere hochwertigen Verpackungen verteilt“, sagt Jürgen Straub, er leitet den Geschäftsbereich Präsentationsprodukte bei der Achilles Gruppe in Celle, die Verpackungen und andere Papierprodukte veredelt. „Die Karten enthielten Leuchtdioden und einen NFC-Chip: Wenn man ein Mobiltelefon an die Karten hielt, haben sie geleuchtet und auf dem Handy hat sich unsere Website mit den Messe-Highlights geöffnet“. Die Luxe Pack ist eine Fachmesse für Verpackungen, sie ist so glamourös wir ihr Name, und mit solchen Features bekam Achilles plötzlich ganz viel von der harten Währung in dieser Branche: Aufmerksamkeit. „So ewas hatte kein anderer Aussteller und unsere Besucher waren begeistert“, erinnert sich Straub. „Es ist natürlich toll, so ein Alleinstellungsmerkmal zu haben.“
Die Near Field Communication (NFC) ist eine der häufigen Anwendungen im Bereich der Printed Electronics, also der elektronischen Geräte, die in traditionellen Druckverfahren hergestellt werden. Wie funktioniert so etwas – und wie stellt man es her? Das weiß in Deutschland wohl kaum jemand so genau wie das InnovationLab in Heidelberg, zu den Gesellschaftern dieses Forschungszentrums für gedruckte Elektronik gehören die Firmen BASF, SAP und Heidelberger Druckmaschinen, außerdem das Karlsruhe Institute of Technology und die Universität Heidelberg. „Man kann die Printed Electronics vom Grafikdruck herleiten“, sagt Meike Baumgarten, Referentin für Business Development am InnovationLab. „Wir nutzen Inkjet- und Siebdrucktechnologie, nur dass wir keine grafische, sondern funktionale Tinte verwenden.“ Das heißt: Die Tinte enthält metallische Komponenten, oft in Form sehr kleiner Nanopartikel. „Dabei werden die Tinten auf eine Kunststofffolie aufgebracht“, erläutert Baumgarten. „So setzen wir Schicht für Schicht elektronische Elemente wie Batterien, Sensoren, Heizkomponenten oder Solarzellen auf den Folien zusammen.“ Durch die Printed Electronics bekommt das Druckgewerbe jetzt eine neue Dynamik: Mit gewöhnlichen Siebdruckmaschinen lassen sich dezentral elektronische Geräte fertigen, die nicht mehr aus Asien importiert werden müssen – in Zeiten unzuverlässiger internationaler Lieferketten ist das für viele Unternehmen eine interessante Option, für einige Hersteller von Druckmaschinen entstehen ganz neue Märkte.
Dabei ist die gedruckte Elektronik nicht völlig neu, es gibt sie seit etwa 30 Jahren, doch durch die wissenschaftliche Entwicklung bei den Nanopartikeln kamen immer neue Tinten zum Drucken elektronischer Geräte auf den Markt – auf dieser Grundlage entstand in den letzten drei bis fünf Jahren eine Massenproduktion, durch die sich immer größere Mengen an Geräten herstellen ließen. Gleichzeitig stieg mit Handys, Tablets und den vielen vernetzten Haushaltsgeräten im Internet of Things der Bedarf an besonders platzsparenden elektronischen Verbindungen; Auch der Markt der Solarzellen, die häufig als Printed Electronics hergestellt werden, wächst stetig. Ein anderer wichtiger Bereich sind Autos: Die Heizdrähte für Lenkradheizungen werden auf Folien gedruckt, genau wie die Sensoren, die einen Alarm auslösen, wenn der Fahrer das Lenkrad loslässt. In diesem Verfahren entstehen auch die Heizung für den Sitz und die Sensoren in der Sitzfläche für das akustische Warnsignal, wenn eine Person auf dem Sitz nicht angegurtet ist. Der Automobilmarkt mit seiner zunehmenden Elektrifizierung ist einer der wichtigen Faktoren für das Wachstum der Printed Electronics in den nächsten Jahren: Betrug das weltweite Marktvolumen im Jahr 2021 noch knapp 9,5 Milliarden Euro, liegt die Prognose für 2026 schon bei fast 22 Milliarden. Aktuell fertigen und forschen weltweit rund 3.000 Unternehmen und wissenschaftliche Einrichtungen im Bereich der gedruckten Elektronik, davon haben etwa 860 ihren Schwerpunkt auf der Solartechnologie, rund 810 auf der Entwicklung von Displays und Leuchtelementen, der Rest entfällt auf Transistoren und andere Anwendungen wie Batterien und Sensoren. Die Europäische Union hat bereits eine Milliarde Euro in die Entwicklung von gedruckter Elektronik investiert, viele große Unternehmen wie Siemens, Motorola, Intel, Samsung, Sony und Merck betreiben eigene Programme.
Doch es sind nicht immer die renommierten internationalen Player, welche die Entwicklung vorantreiben – auch mittelständische Unternehmen wie Saralon aus Chemnitz tragen viel dazu bei.
„Wir führen aktuell 35 verschiedene Tinten für die Herstellung gedruckter Elektronik“, sagt Steve Paschky, Chief Marketing Officer bei Saralon, wo auch die Grundlagen für besonders smarte Verpackungen von Achilles entstehen. „Die Zusammensetzungen sind sehr unterschiedlich, abgestimmt auf verschiedene Anwendungsbereiche. Basismaterialien für die Tinten sind entweder Silber-, Kupfer-, Kohlenstoff- oder Polymerbestandteile.“ Für Produktverpackungen fertigt Saralon Tinten wie die SaralLight mit Partikeln, die Licht abgeben können, und die Sara-lNFC, mit der sich NFC-Chips drucken lassen, wie Achilles sie für die eigenen Informationskarten verwendet hat. Mit diesen Technologien konnte Achilles für einen großen deutschen Hersteller von Fliesen eine Kollektionsmappe erstellen, in der einige Fliesen zu leuchten begannen, wenn der Nutzer sein Handy an die Mappe hielt: Ähnlich wie beim kabellosen Aufladen bringt die elektrische Spannung im Handy die Leuchtdioden im Papier zum Strahlen, gleichzeitig kommuniziert der NFC-Chip mit dem Handy und ruft im Browser die Website zur Kollektionsmappe auf. Für die Marke Rhein Gin aus Düsseldorf hat Achilles mit den Tinten von Saralon eine sogenannte Twin Box entworfen: Der Karton enthält eine Flasche Gin, eine Flasche Tonic Water und ein Glasröhrchen mit Gewürzen – wenn man die Packung öffnet, beginnt das Papier unter den Behältern zu leuchten, und es wirkt, als würden das Glas und sein Inhalt selbst Licht abgeben.
Als wäre all das noch nicht futuristisch genug, hat Steve Paschky schon konkrete Vorstellungen für die Zukunft der Printed Electronics. „Die mit unseren Tinten gefertigten Batterien halten etwa ein bis zwei Jahre“, erklärt er. „Eine wiederaufladbare Batterie stellen wir noch nicht her, aber wir sind dabei, sie zu entwickeln. Die hätte große Vorteile für medizinische Anwendungen wie elektronische Pflaster, die Körperfunktionen überwachen – dann könnte man diese Pflaster zwischendurch aufladen und dadurch sehr lange nutzen.“ Auch im Alltag sieht er noch viele Möglichkeiten: „Eine andere Entwicklung, an der wir arbeiten, sind dehnbare Tinten“, sagt Paschky. „Sie sind wichtig für elastische Folien wie bei faltbaren Displays, für Kartons aus gefalteter Pappe und für Textilien, die häufig geknüllt und gedehnt werden.“ So ist das mit dem kreativen Unternehmertum: Man muss flexibel bleiben. #
Über den Autor
Burkhard Maria Zimmermann
Burkhard schreibt seit über 20 Jahren über alles Mögliche; hinzu kommen einige Sachen, die schwer einzuordnen sind – der Rest landet im Ordner „Vermischtes“. Eine völlig willkürliche Auswahl seiner Texte finden Sie hier: torial.com/burkhard-maria.zimmermann
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