#pp: Die erste Numéro Berlin ist 2016 erschienen. Ein mutiger Schritt zu einer Zeit, in der es Print nicht gut ging, oder?
Offergeld: Ich war mir immer sicher, dass Print-Magazine immer eine Bedeutung behalten werden. Jedoch nicht alle. Mainstream-Produkte hatten und haben es schwer, denn wo ist für den Nutzer der Mehrwert? Ich brauche kein Magazin, das mir sagt, was Robert Pattinson gerade trägt. Denn das kann ich genauso gut online lesen. Aber qualitativ hochwertige Produkte sind weiterhin gefragt. Print ist nicht tot. Nur ein bestimmter Weg, der des Mainstreams, ist passé. Und wer weiß, was noch geschieht. In Amerika lesen die jungen Leute wieder Tageszeitungen. Das Gedruckte ist ihrer Meinung nach glaubwürdiger als das ganze Social-Media-Zeug.
#pp: Was genau ist Numéro Berlin, was macht das Magazin so einzigartig?
Offergeld: Numéro Berlin will eine kraftvolle Stimme der Veränderung sein. Wir wollen auf höchstem, internationalem Niveau eine avantgardistische Ästhetik prägen, die die Mode in Deutschland mit neuer Energie infiziert. Numéro Berlin ist eine Quelle für Kultursuchende und -schaffende. Eine Plattform für eine kreative Generation, die Kunst, Kultur und Mode neu denkt und gestaltet. Und für Themen, die gesellschaftlich relevant sind.
#pp: Was für Themen sind das?
Offergeld: Im ersten Halbjahr 2021 ist unsere Sex-Issue erschienen. Da ging es natürlich auch um Sex. Aber um noch so viel mehr. Denn die Ausgabe ist während des Corona-Lockdowns entstanden – und uns ging es primär auch um das Thema Freiheit. Nicht mehr rausgehen, nicht mehr tanzen, nicht mehr schwitzen zu können. Was bedeutet das für die Mode? Und was für die Menschen? Wie werden sie sich anziehen, wenn der Lockdown vorbei ist? Wie wird sich die Kunst verändert haben? Bei unserer nächsten Ausgabe, wir erscheinen zweimal im Jahr, ging es um die Empathie. Um die Verrohung der Gesellschaft, darum, wie wir miteinander umgehen. Und dann, im nächsten Magazin, haben wir uns dem Thema Liebe gewidmet. Was bedeutet das überhaupt in der heutigen Zeit? Das nächste Magazin, das im Mai erscheint, wird sich mit dem Thema Minimalismus befassen.
#pp: Die Numéro Berlin hat zwischen 600 und 800 Seiten und mutet somit eher wie ein Katalog oder Magazin an.
Offergeld: Das stimmt (lacht). Aber wir haben einfach so viel zu zeigen und zu erzählen. Wir unterteilen eine Ausgabe in drei Magazine, die man für 20 Euro, alle zusammen im Paket, kaufen kann. Volume A befasst sich mit Mode, Accessoires und Beauty. In Volume B geht es um Kunst, Kultur, Musik und Film. Volume C ist immer ein Booklet, das wir exklusiv mit einem Künstler für die Numéro Berlin und
Numéro Homme Berlin machen, wie zum Beispiel mit Helmut Lang, Jenna Gribbon, Richard Kern oder Coco Capitán. Und dann gibt es immer noch diverse Beileger, etwa ein Comicbuch, einen Stickerbogen, ein Poster oder auch Zines, die aus Kollaborationen mit Designern entstehen.
#pp: Es gibt nicht nur ein Cover pro Ausgabe, richtig?
Offergeld: Ganz genau, wir hatten mehrmals Ausgaben mit 16 Covern. Das liegt daran, dass wir auf unseren 600 bis 800 Seiten pro Ausgabe viele Geschichten und Modestrecken zeigen – und einige der Beteiligten eine sogenannte Cover-Garantie haben. Das erklärt natürlich, wieso wir dann mehrere Cover machen. Mainstream-Magazine shooten hingegen nur eine Celebrity und die kommt dann aufs Titelblatt. Der andere Punkt ist, dass ich manches in unseren Magazinen so sensationell gut finde, dass daraus auch noch ein Titel entstehen muss.
#pp: 16 Cover – gibt es denn auch Leser, die die Numéro Berlin dann 16 mal kaufen?
Offergeld: (lacht) Ja, die gibt es tatsächlich. Das sind echte Numéro-Berlin-Fans, die alle Titel besitzen wollen. Sie sammeln sie, stellen sie sich ins Regal oder legen sie wie Coffee-Table-Books auf den Wohnzimmertisch. Manche Ausgaben werden sogar für 200 oder 300 Euro weiterverkauft.
#pp: Wer ist der typische Numéro-Berlin-Leser?
Offergeld: Jemand, der weltoffen, divers und an Kunst und Kultur interessiert ist. Und nicht nur, weil es trendy ist.