Dabei reicht es nicht aus, dass das Produkt umweltfreundlich ist, es muss auch schön sein. Weiher führt zu einer Maschine, durch die horizontal ein dicker stählerner Zylinder läuft. Hier geschieht das sogenannte De-Inking, bei dem die Druckerfarbe entfernt wird. „Wir mischen Luft hinein, die als Schaum an die Oberfläche steigt“, erklärt Weiher. „Dabei werden die Farbpartikel nach oben getragen.“ Weiter geht es ein paar Treppen nach unten, Weiher öffnet die Tür zu einer Halle, in der eine riesige Maschine brüllt, so hoch und so lang wie ein Kreuzfahrtschiff: Aus Düsen schießt hier mit einem Tempo von 80 Stundenkilometern die Suspension aus flüssigem Altpapier, bevor sie auf Walzen von 9,60 Metern Breite zu glattem Recyclingpapier ausgerollt wird. Und dann kommt die Halle, in der das fertige Produkt für den Transport gelagert wird: riesige Rollen aus weißem Papier, vertikal aufeinandergestapelt – ein Wald aus glatten, weißen Stämmen, gute acht Meter hoch. „Hier gehen wir nicht weiter“, warnt Weiher. „In der Halle fahren ständig Gabelstapler herum, das ist zu gefährlich.“
Ein paar Minuten später lassen durchsichtige Zylinder in einem Konferenzraum im Verwaltungsgebäude erkennen, was in den ersten Reinigungsstufen so aus dem Altpapier gefischt wird: dreckige Münzen, rostige Heftklammern, ein Ball aus Plastik mit einem lächelnden Katzengesicht, eine Hülle von einem Sammelbild von Star Wars mit Darth Vader drauf. Es sind Verunreinigungen wie diese, die gemeinsam mit der aufgedruckten Farbe die Verarbeitung zu einem aufwendigen Prozess machen: Insgesamt ergeben die jährlich verarbeiteten 1,5 Millionen Tonnen Altpapier ein Endprodukt, das um gute 10 Prozent kleiner ist. „Unsere Margen sind nicht höher als bei Herstellern von Papier aus Frischfasern, denn der Reinigungsprozess kostet Zeit und Energie, und die ist teuer“, sagt Ferdinand von Reitzenstein, Sales Director Graphic Paper bei LEIPA. „Durch die steigenden Energiepreise kam der Markt sehr unter Druck, aber wir sehen heute eine Erholung, die uns vorsichtig optimistisch macht.“ Denn der Online-Handel nimmt weiter zu und damit steigt die Nachfrage nach Verpackungen, aber auch bei grafischen Papieren sieht von Reitzenstein weiterhin viele Möglichkeiten– obwohl einige Supermarktketten sich ganz oder teilweise von gedruckten Werbematerialien verabschiedet haben. „Für viele Supermärkte bleiben Flyer und Prospekte wichtig, und gleichzeitig wollen diese Unternehmen bis 2035 festgelegte Nachhaltigkeitsziele erreichen“, erläutert er. „Das wird nur über Recyclingpapier zu schaffen sein, und die Kundinnen und Kunden fordern das auch.“ Und was ist mit den Fasern, die beim Recycling kaputtgehen? Zerstört sich der Altpapierzyklus irgendwann selbst? „Wir brauchen Frischfasern für die Gesamtmischung, die kaufen wir aber nicht separat ein“, sagt Dr. Lutz Kühne, Head of Research, Development, Innovation and Sustainability bei LEIPA.