#Wissen
Text: Friederike Schön
Der Blaue Engel ist seit 45 Jahren das Umweltzeichen der Bundesregierung und kennzeichnet „besonders umweltschonende Produkte und Dienstleistungen“.
Inzwischen tragen über 20.000 Produkte von 1.600 Unternehmen in 100 unterschiedlichen Produktgruppen den Blauen Engel.
Zeicheninhaber ist das Bundesumweltministerium (BMUV), die Kriterienentwicklung erfolgt durch das Umweltbundesamt (UBA).
Eines ist klar: In Zeiten von gravierenden globalen Umweltproblemen und den sozialen Folgen, verursacht durch eine kaum noch kontrollierbare weltweite Industrialisierung und Ausbeutung von Ressourcen, wünschen sich immer mehr Menschen Unternehmen, die nachhaltig handeln. Solche, die Klimaschutz betreiben und soziale Verantwortung übernehmen. Aber wie findet man sie als Konsument? Zur Orientierung dienen sogenannte echte Umweltzeichen – wie der Blaue Engel, das offizielle Öko-Siegel der deutschen Bundesregierung. Doch während beim Blauen Engel ständig nachjustiert wird und die Anforderungen stetig strenger werden, nimmt die Invasion teils undurchsichtiger Siegel immer weiter zu. Wer behält da noch den Durchblick im Label-Dschungel? Wir haben nachgefragt und beim Umweltbundesamt um Aufklärung gebeten. Wie wird das blaue Siegel vergeben, nach welchen Kriterien und wie wird nachgeprüft? Denn es ist höchste Zeit …
Was viele nicht wissen: Begriffe wie „klimaneutral“, „umweltfreundlich“ oder „Umweltdruckerei“ sind rechtlich nicht geschützt – das heißt, jeder kann sich und seine Produkte damit schmücken, ohne Nachweise dafür zu erbringen und verbindliche Kriterien einzuhalten. Auch wohlklingende Worte wie „umweltsicher“, „umweltfreundlich“, „grün“, „ökologisch“, sogar „Bio“ sollen den Verbraucher:innen ein gutes Gefühl vermitteln, bleiben aber in ihrem wahren Gehalt unklar. Dabei setzt man gezielt auf die Unwissenheit der Konsument:innen. Traurige Bilanz: Bis heute sind die Bekenntnisse der meisten Unternehmen darüber, was sie für den Umweltschutz leisten, großenteils Greenwashing – das eigene Image wird für Marketing-Zwecke grün gewaschen. Oft beziehen sich die Versprechen nur auf einen einzigen Aspekt wie eine recycelbare Verpackung. Doch damit könnte bald Schluss sein: Die derzeit in der Planung steckende „Green Claims Directive“ soll den Missstand EU-weit beseitigen – künftig sollen keine leeren Begriffe mehr verwendet werden, sondern von Seiten der Unternehmer:innen Fakten geschaffen und die eigenen Aussagen zu Klima- und Umweltschutz mit Tatsachen belegt werden. Nicht nur Werbe-, sondern auch Umweltversprechen müssen dann belegbar sein.
Das Bundesministerium für Umwelt Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) ist der Zeicheninhaber des Blauen Engels
Der Blaue Engel sticht als verlässliche Größe wie ein Leuchtturm aus dem Meer der unübersichtlichen Umweltzeichen heraus – eingeführt wurde er vor 45 Jahren im Jahr 1978 als erstes weltweit anerkanntes Ökolabel überhaupt. Der Blaue Engel wird an Produkte und Dienstleistungen vergeben, die über die gesamte Lebensdauer geringere Auswirkungen auf die Umwelt haben als vergleichbare Produkte. Das Spektrum reicht von Papier- und Reinigungsprodukten über Elektrogeräte, Textilien, Möbel, Farben und Lacke bis hin zu Software oder Rechenzentren.
Doch die rasante Zunahme der Umweltlabels und die Verwässerung der Zertifizierungen führte dazu, dass die Qualität und auch das Vertrauen in das System der Umweltzeichen stark litten. Das rief die Internationale Normungsorganisation (ISO) auf den Plan. Um Klarheit zu schaffen, führte sie die Klasse der TYP-I-Umweltzeichen ein. Dazu gehörten fortan klassische staatliche Umweltzeichen wie der Blaue Engel. Ein unabhängiges Gremium, die Jury Umweltzeichen, beschließt für diese Typ-I-Zertifizierung für jedes Produkt die Kriterien, die das Umweltbundesamt in einem breiten Stakeholder- Prozess erarbeitet hat. Hersteller:innen können erst dann das Umweltzeichen auf ihren Produkten verwenden, wenn sie nachweisen, dass sie die vorgeschriebenen Anforderungen erfüllen. Doch wie läuft die Vergabe des Blauen Engels genau ab?
Zu den bekanntesten Typ-I-Umweltzeichen gehören der Blaue Engel in Deutschland, der Nordische Schwan in Skandinavien, das Österreichische Umweltzeichen und das Europäische Umweltzeichen
„In den jeweiligen Vergabekriterien sind sowohl die Anforderungen sowie die Nachweisführung genau festgelegt. Alle Kriterien sind online auf der Website des Blauen Engels einsehbar und somit transparent“, sagt Janine Braumann vom Umweltbundesamt. „Sie werden basierend auf wissenschaftlichen Untersuchungen, eigenen Studien und Marktrecherchen erarbeitet.“ Grundsätzlich liegen der Vergabe des Blauen Engels an Unternehmer:innen vier Prinzipien zugrunde: Transparenz, Unabhängigkeit, Ganzheitlichkeit und Ausrichtung auf ständige Verbesserung. „Die Anforderungen, welche die Umweltzeichen-Produkte erfüllen müssen, legt ein unabhängiges Gremium nach unseren wissenschaftlich begründeten Kriterien fest“, so die Expertin. Eine regelmäßige Aktualisierung der Anforderungen sorgt dafür, dass wirklich nur die aus Umweltsicht besten Produkte ausgezeichnet werden. Genau dieser Anspruch macht die Sache für Firmen sehr komplex – und gleichzeitig attraktiv.
Eine unabhängige, unparteiische und ehrenamtliche Jury Umweltzeichen bürgt für die Verlässlichkeit des Blauen Engel. Sie entscheidet auch über neue Produktgruppen
„Die Anforderungen an Produkte und Dienstleistungen steigen stetig, denn unsere Expertengremien passen sie an den technischen Fortschritt und die daraus resultierenden Möglichkeiten für den Umweltschutz und die Gesundheit ständig an. Grund, weshalb der Blaue Engel auch kein „Einmal-für-immer-Siegel“ ist, sondern immer wieder neu beantragt werden muss. Die Firmeninhaber: innen sind dazu verpflichtet, durch Prüfberichte, Sicherheitsdatenblätter oder rechtsverbindliche Herstellererklärungen zu beweisen, dass sie mit dem Blauen Engel zertifiziert werden dürfen. Dabei kommen unabhängige Prüflabore zum Einsatz, die z. B. vor Ort Messungen durchführen. Was den Blauen Engel eben von anderen Umweltzeichen unterscheidet: „Für die Bewertung verfolgen wir eine ganzheitliche Betrachtung des Produktlebenszyklus – von der Herstellung über die Nutzung bis hin zu Entsorgung und Recycling des jeweiligen Produkts. Unser Ziel ist es, die entscheidenden umweltrelevanten Bereiche für jede Produktgruppe zu identifizieren, bei denen wesentliche Umweltbelastungen verringert oder sogar vermieden werden können“, sagt Janine Braumann.
„Zudem führt der RAL zusammen mit dem UBA jährlich bei einigen Produktgruppen unabhängige Stichprobenkontrollen von Produkten am Markt durch, so Braumann.“ Die RAL gGmbH ist die staatlich autorisierte Stelle für die Vergabe des Umweltzeichens – sie organisiert auch die Expertenanhörungen, wenn es um die Diskussion von Kriterien bei neuen Produktgruppen oder die Revision von Kriterien bestehender Produkte und Dienstleistungen geht. Die Vergabekriterien werden nämlich in regelmäßigen Abständen durch das Umweltbundesamt aktualisiert, woraufhin Zeichennehmer:innen den Blauen Engel auch wieder neu beantragen müssen. Außerdem ist der Blaue Engel Mitglied im „Global Ecolabelling Network (GEN), ein weltweiter Verband und eine Non-Profit-Organisation, die nach dem Vorbild des Blauen Engels die Vergabe der Typ-I-Umweltzeichen und -Programme der einzelnen Staaten fördert und weiterentwickelt.
Der Blaue Engel zeichnet die besseren Produkte innerhalb einer Produktgruppe aus. Was das Umweltzeichen nicht ist: ein Garant für umweltneutralen Konsum
Sobald man etwas herstellt, geht es immer zu Lasten der Umwelt. „Daher lautet unser Motto: Lieber nutzen statt besitzen! Wenn aber jemand entschlossen ist, etwas zu kaufen, dann möchten wir ihm bei der Kaufentscheidung helfen, um das umweltschonendste Produkt zu bekommen“, so Braumann. Wie lange ein solches den Blauen Engel tragen darf, hängt von seinem Lebensdauerzyklus und seiner Innovationsfähigkeit ab – ändert sich nicht viel, können die Vergabekriterien maximal vier bis fünf Jahre laufen. „Je mehr Innovation möglich ist, desto kürzer ist die Laufzeit“, sagt Braumann. „Wir wollen Verbesserungen vorantreiben, sei es bei der Produktion, bei der Beschaffung der Rohstoffe, bei der Verlängerung der Lebensdauer oder dem Recycling. Unsere Expert:innen schauen sich die Vergabekriterien regelmäßig an, überarbeiten diese und prüfen, wo wir strenger werden können.“ Es werden dann nicht nur regelmäßig neue Nachweise eingefordert, sondern es finden auch immer wieder stichprobenartige Kontrollen statt. Der Blaue Engel dient also nicht nur zur Verbraucherorientierung, sondern will auch diejenigen Firmen auszeichnen, die bestrebt sind, immer besser zu werden und ihren ökologischen Fußabdruck stetig zu verringern. Nicht mehr – und nicht weniger. #
Über die Autorin
Friederike Schön
Rike mag gut gewürzten Buchstabensalat, gerne mit Scharfsinn, Prägnanz – und einer fetten Prise Humor, wo es passt. Das Ganze am liebsten in gedruckter Form. Gute Ideen kommen ihr häufig beim Zähneputzen oder gleich nach dem Aufwachen. Sie liebt Wasser und Tiere. Dafür hat sie Angst vor Gewittern – aber keine vor Schreibkrisen.
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In der aktuellen #printproudmagz Nr. 5 mit dem Titel „Der grüne Weg“ widmen wir uns dem wohl wichtigsten Thema überhaupt: der Nachhaltigkeit.
Wir werfen einen Blick auf vegane Druckproduktion und das große Thema Ressourcenschonung am Beispiel Papierrecycling. Außerdem beleuchten wir das wichtigste Umweltzeichen des Landes, den Blauen Engel. Und erfahren Sie, warum der deutsche Thriller-Starautor Sebastian Fitzek im Interview mit #printproudmagz zugibt, ein Weichei zu sein.
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