#Menschen
Text: Friederike Schön
PETER DAHMEN designt, entwickelt und konstruiert Pop-up-Kunst: von der 3D-Karte bis zum Bühnenbild. Der Dortmunder entwirft nicht nur regelmäßig für den Museumsshop des MoMA, der weltweit gefragte Gestalter schuf auch schon Requisiten für einen Netflix-Film und zuletzt das Bühnenbild für eine Oper, aus der wir hier exklusiv eine Sneak-Preview zeigen…
Wenn man Peter Dahmen fragt, was er von Beruf ist, dann sagt er: „Ich bin eigentlich gelernter Grafikdesigner, habe mich aber auf Pop-up-Design spezialisiert. Heute bin ich Paper Artist, Papierkünstler – ich hätte mir nie träumen lassen, dass ich das mal hauptberuflich machen kann!“ Seine wahre Berufung fand er recht spät, erzählt er lachend. Peter Dahmen trägt eine randlose Brille, seine hellen Augen haben einen neugierigen, offenen Blick, überhaupt hat er etwas Jungenhaftes an sich. Vielleicht ist es die Leidenschaft, die ihn jung hält, die ständige Herausforderung, über sich hinauszuwachsen. Die Liebe für das Hobby, das zu seinem Beruf wurde.
Dabei traute sich der 56-Jährige lange Zeit nicht, das geheime Ass aus dem Ärmel zu ziehen. Für seine Papierkunst, die er im stillen Kämmerlein und „just for fun“ zelebrierte, konnte es da draußen keine echte Nachfrage geben, mit der sich Geld verdienen lässt. Dachte er zumindest, bis er vor 14 Jahren einer Freundin eine selbstgemachte Popup- Karte zum Geburtstag verschenkte – und sein Umfeld zu seiner Überraschung total begeistert reagierte. „Die flippten alle völlig aus und sagten, Was, sowas kannst du? Das musst du unbedingt auf deiner Webseite zeigen!“ Der Rest ist Peter Dahmens Erfolgsgeschichte. Was er zwischen zwei Pappdeckeln erschafft, kann man zurecht Kunst nennen, aber vor allem sind es: kleine und große Wunder, die Menschen ein Lächeln ins Gesicht zaubern. In seiner recht überschaubaren Branche ist er ein großer Name und dazu ein sehr gefragter, die US-amerikanische Filmindustrie hat ihn schon engagiert und sogar der MoMA Design Store des Museums of Modern Art in New York zählt zu seinen Kunden…
Und das, obwohl eben alles mit einem Zufall begann. „Ohne meine Freunde und Grafik-Kollegen, die mich dazu überredet haben, meine Pop-up-Karten zu zeigen, wäre das wohl alles nicht passiert und ich könnte diesen Traum nicht leben“, sagt Dahmen und klappt ganz langsam eine weiße Karte auseinander, in deren Mitte sich die bunten Blätter einer üppigen Blüte erheben. Eine Blume mit rückblickend großer Symbolkraft, denn mit ihr begann auch seine Papierkunst zu florieren. Dahmen lud damals die besten sechs Werke aus seiner Studienzeit auf Youtube hoch, noch mit einer alten digitalen Fotokamera gefilmt, und verknüpfte sie mit seiner Website – das Beste, was er jemals hätte tun können, wie er selbst sagt. „Das Video ging viral, wie man heute sagt, es hatte nach einem Jahr 100.000 Klicks, bis jetzt wurde es fünf Millionen mal angeklickt.“
Anfragen ließen nicht lange auf sich warten. „Ich dachte dann im ersten Moment: Okay, ich mache jetzt endlich mal richtig schöne Karten. Aber es kamen dann auch gleich große Aufträge von Werbeagenturen, die z. B. eine meterlange Pop-up-Konstruktion für einen Messestand wollten und andere verrückte Sachen. Ich konnte mich also gar nicht auf das konzentrieren, was ich schon konnte, sondern musste gleich ganz groß und völlig outside the box denken.“
Und so jagte ein irrer Auftrag den nächsten. Solche wie der, den er jetzt aufklappt, bestellt hat ihn der Streaming- Dienst Netflix: einen Miniatur-Vergnügungspark mit einer Achterbahn, Karussells und vielen anderen Fahrgeschäften. So filigran und detailreich und doch so stabil – dafür sorgt ein spezielles Papier mit einer besonderen Festigkeit, dessen Fasern also auch bei häufigem Biegen nicht reißen. „Die Netflix-Anfrage kam 2020 und es war mit Abstand der aufregendste Auftrag, den ich bis dato bekommen hatte. Ein kompletter Freizeitpark aus Papier für den Stop-Motion- Animationsfilm, Wendell & Wild’. Fast fünf Monate habe ich an dem Projekt gearbeitet, das finale Modell besteht aus 1370 Einzelteilen“, sagt Dahmen, auf dessen Website man das erstaunliche Werk– wie viele andere auch – sehen und im Bewegtbild erleben kann.
Die Pop-up-Karten gehören weiterhin zum Repertoire. Als das Museum of Modern Art ihn Ende 2014 erstmals anschrieb und um Entwürfe für die Weihnachtszeit bat, zögerte der Designer nicht lange. „Das war zwar ein unbezahlter Pitch, aber wenn New York sich meldet, überlegt man natürlich nicht lange. Dazu muss man wissen, dass das MoMA bei einem Design mit einer Stückzahl von 40.000 Karten startet, also gleich in einer sehr hohen Auflage.“ Dahmens kleine Papierkunstwerke kamen sehr gut an. Und so landen jedes Jahr bis zu drei neue Kartendesigns von ihm in einem der exklusivsten Museumsshops der Welt, eine Art Ritterschlag.
Wer ist eigentlich … ?
Wer ist eigentlich … ?
Peter Dahmen ist gelernter Grafikdesigner. Heute arbeitet der Dortmunder als Designer und Papierkünstler und hat sich international einen Namen gemacht. Dahmen nahm an Kunstausstellungen im In- und Ausland teil, und auf seiner Internetseite gibt er Pop-up- Anleitungen zum Nachmachen. Mehr auf peterdahmen.de.
Dabei stecken hinter der Herstellung seiner Papier- Werke viele einzelne Schritte. Es beginnt alles mit dem Design und der Entwicklung. Nach der Konstruktion werden zunächst die verschiedenen Einzelteile des Pop-ups mit einem Plotter ausgeschnitten, sodass die Konturen keine Schmauchspuren bekommen – verbrannte Ränder. „Anders als beim Lasern werden beim Schneiden mit einer Klinge auch keine Papierschichten abgetragen, was die Konstruktion stabiler macht.“ Der Zeitaufwand ist hier allerdings viel höher, mit Lasertechnik lassen sich filigrane Motive auch in großer Serie herstellen.
Beides hat also Vor- und Nachteile. Und im nächsten Schritt müssen die einzelnen Teile von Hand zusammengefügt werden – das heißt durchgefädelt, mit Klebepunkten versehen und montiert. Das erklärt, warum seine Arbeit sehr exklusiv ist und meistens nicht in Massen produziert werden kann. „Viele Projekte entpuppen sich häufig als viel zu aufwendig und einfach zu kostenintensiv“, sagt Dahmen. Er kommt immer dann ins Spiel, wenn es komplex und technisch schwierig wird. Etwa, wenn er eine Pop-up-Skulptur, wie Dahmen große Objekte nennt, der Indonesischen Botschaft in Berlin fertigt. „Für einfach zu realisierende Ideen werde ich nicht gebucht, das lösen die Firmen und Agenturen inhouse.“ Das erklärt auch, warum viele seiner Entwürfe zwar viele Käufer hätten, aber nur theoretisch. Da war die Pop-up-Ringbox für einen Verlobungsring, die der Designer für die Präsentation industrieller Laserschnittmaschinen auf einer Messe in Chicago entwarf. Es wurden etwa 50 Boxen angefertigt. Später kamen viele Anfragen von Heiratswilligen. Aber manches muss eben ein schöner Traum bleiben.
„Mir geht es um das Besondere, ich möchte Welten, Abstraktes und Fantasielandschaften aus Papier und Karton erschaffen, die verzaubern und staunen lassen. Das ist mir wichtiger als in der Masse zu produzieren.“ Dass es so etwas mal nicht von der Stange gibt, ist in einer Welt, in der alles sofort verfügbar scheint, auch etwas ganz Besonderes. #
Über die Autorin
Friederike Schön
Rike mag gut gewürzten Buchstabensalat, gerne mit Scharfsinn, Prägnanz – und einer fetten Prise Humor, wo es passt. Das Ganze am liebsten in gedruckter Form. Gute Ideen kommen ihr häufig beim Zähneputzen oder gleich nach dem Aufwachen. Sie liebt Wasser und Tiere. Dafür hat sie Angst vor Gewittern – aber keine vor Schreibkrisen.
Ausgabe No. 5 JETZT erhältlich!
In der aktuellen #printproudmagz Nr. 5 mit dem Titel „Der grüne Weg“ widmen wir uns dem wohl wichtigsten Thema überhaupt: der Nachhaltigkeit.
Wir werfen einen Blick auf vegane Druckproduktion und das große Thema Ressourcenschonung am Beispiel Papierrecycling. Außerdem beleuchten wir das wichtigste Umweltzeichen des Landes, den Blauen Engel. Und erfahren Sie, warum der deutsche Thriller-Starautor Sebastian Fitzek im Interview mit #printproudmagz zugibt, ein Weichei zu sein.
Lesen Sie jetzt:
Bist auch du #printproud wie wir?
Benötigst Unterstützung bei der Konzeption, Umsetzung, Produktion oder Vermarktung deines Printprodukts?
Oder möchtest dein Projekt hier vorstellen?
Dann sollten wir unbedingt sprechen:
Tel. 040/23 51 92 15 oder kontakt@msbruno.de