#7
Bitte unbedingt anfassen!
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Bitte unbedingt anfassen!
Papier hat ganz besondere Fähigkeiten. Man kann darauf schreiben, es bemalen und in jeder Form bedrucken. Doch Papier ist nicht gleich Papier. Es kann weiß oder farbig sein, grob oder fein, leicht oder schwer, klassisch oder edel. Das Wichtigste aber ist die Haptik, die für pure Emotionen sorgt.
Text: Achim Schneider
Es heißt, Print habe keine Zukunft. Doch das kann man auch ganz anders sehen. Auch oder gerade weil das vermeintlich alte Papier modern und vielfältig ist. Die Möglichkeiten, die Papierhersteller und Druckereien haben, um die Wertigkeit eines Magazins zu steigern, sind exorbitant. Dank dieser technischen Möglichkeiten gilt: Wenn Papier bewusst und zielgerichtet als Gestaltungsmittel eingesetzt wird, übernimmt es über seine Funktion als Träger hinaus eine eigene Informationsvermittlung. Es bildet die Werte und Tätigkeit des Kunden ab, macht sie sichtbar. Zudem bereitet bedrucktes Papier den Menschen, die es in Händen halten, großes Vergnügen. Print macht Spaß. Immer noch.
Doch das handschmeichlerische Printmagazin hat es trotz seiner haptischen und optischen Vorzüge nicht leicht in Zeiten fortschreitender Digitalisierung. Die Welt ist inzwischen digital, auch die Lesewelt. Viele, insbesondere jüngere Menschen, nutzen Smartphone oder Tablet zum Lesen von Nachrichten und Geschichten. Sie folgen einem Trend, der für sie die Zukunft bedeutet: Print goes digital. Zugegeben, das Format aus Einsen und Nullen hat gewisse Vorteile, die sich nicht wegdiskutieren lassen. Schneller Zugriff, kurze Häppchen, jederzeit abrufbar.
Indes: Zur großen Überraschung der Zeitschriftenverleger hat gerade die zunehmende Digitalisierung in der Pandemiezeit den Printprodukten einen Schub verliehen. Das stundenlange Arbeiten am PC im Homeoffice hat dafür gesorgt, dass die Menschen zur Entspannung am Abend lieber ein Buch, ein Magazin oder eine Zeitung in die Hand nehmen, statt immer weiter am Bildschirm zu kleben. „Beim Versuch, uns aus der digitalen Welt auszuklinken, sehnen wir uns nach dem Analogen“, sagt die englische Zukunftsforscherin Helen Job, Leiterin der Abteilung Insight bei TCOLab. Für die Expertin ist das Lesen von Büchern und Zeitschriften in Form gedruckter Ausgaben zu einem neuen Luxus avanciert.
Dabei kommt es bei Magazinen längst nicht mehr nur auf den Inhalt an. Design, Material und Konzeption spielen eine wesentliche Rolle. Das Printprodukt erhält einen Wert, der über seinen eigentlichen Inhalt hinausgeht. „Ein Magazin muss Emotionen wecken. Man muss das Gefühl haben, etwas Besonderes anzufassen“, sagt Britta Tschöke, die sich als Herstellerin bei der Medien-Manufaktur MedienSchiff BRuno täglich mit dem Thema Papier und Print beschäftigt. Ihr Gestaltungsansatz: „Leider wird die Auswahl des Papiers für ein Produkt oft unterschätzt. Meistens wird darüber erst ganz am Schluss gesprochen. Dabei ist es viel besser, wenn der Grafiker mit seinen ersten Entwürfen schon zu einem passenden Papier rät.“
Auch für Daniel von Stamm ist das Thema Haptik bei Printprodukten essenziell. Der Geschäftsführer der Jacob Jürgensen Papier und Zellstoff GmbH mit Sitz in Hamburg kennt sich ebenfalls bestens aus in der Welt des Papiers. Lange Zeit war er als Papierhersteller in der Industrie tätig, inzwischen handelt er weltweit damit. Er sagt: „Die Beschaffenheit des Papiers muss zum Image des Magazins passen.“ Wenn der Kunde zum Beispiel ein Magazin möchte, bei dem es auf perfekte Druckqualität ankommt, dann muss das Papier eine homogene, glänzende Oberfläche haben. Das Printprodukt eines Biomarktes darf dagegen aus recyceltem Papier hergestellt werden, das keine weiße, sondern eine gräuliche Anmutung hat. Von Stamm bringt es auf den Punkt: „Für Image und Message gibt unterschiedliche Papiersorten. Um die richtige auszuwählen, muss man mit dem Kunden klären, welche Nachrichten oder Informationen er transportieren will.“
Häufig werden die kreativen und wirtschaftlichen Chancen, die in der richtigen Wahl des Papieres liegen, nicht genutzt. Dabei gibt es heute beinahe unbegrenzte Möglichkeiten, mit denen Printprodukte veredelt und optimiert werden können. So sind matte Papiersorten für textlastige Magazine besser geeignet, da sie bei Lichteinstrahlung nicht so stark reflektieren und damit lesefreundlicher sind. Für den klassischen Mix aus Geschriebenem und Fotos empfiehlt sich dagegen halbmattes Papier, während Hochglanzpapier für eine perfekte Darstellung von Bildern und Illustrationen sorgt.
Für das optimale Zusammenspiel zwischen Haptik und Optik bedarf es einer kompetenten Beratung. Britta Tschöke bevorzugt, den Kunden „besondere Magazine“ als Muster zu zeigen, damit sie einen Eindruck erhalten, wie ihr eigenes Edel-Magazin am Ende wirken könnte. Auch sie ist der Meinung, den Content bei der Papierauswahl einzubeziehen, rät ihren Kunden aber durchaus auch, etwas auszuprobieren. „Einfach nur Standarddruck kann jeder“, erklärt sie. „Aber im Idealfall will sich der Kunde mit seinem Magazin von anderen abheben, und deswegen darf man auch mal etwas Überraschendes machen.“
Welche Veredelungsvarianten gibt es? Für das Anfassgefühl eignet sich zum Beispiel hervorragend die Cellophanierung. Dabei werden die Umschlagseiten mit einer hauchdünnen Kunststofffolie überzogen und sorgen so für einen angenehmen Touch. Man kann mattes Papier mit Dispersions- oder UV-Lack zum Strahlen bringen. Unterschiedliche Papiersorten und -farben ermöglichen einen edlen Look ebenso wie hochwertige Prägungen. Auch mit Grammatur und Volumen können Magazine aufgepeppt werden. Beispiel: Wenn man das Gewicht eines Papiers mit einfachem Volumen verringert, gleichzeitig aber das Volumen erhöht, dann erhält man ein Magazin, das optisch einem Heft mit höherer Grammatur entspricht. Soll heißen, auch wenn das Gewicht des Papiers geringer ist, hält man gefühlt mehr in Händen. Die Zeitschrift erhält somit einen wertigeren Charakter.
Auch beim Thema Nachhaltigkeit sind Printobjekte im Trend. Die Hersteller bieten Papiersorten aus verschiedensten Materialien an. So wird beispielsweise der für die Produktion wichtige Zellstoff aus Algen gewonnen. Graspapier ist im Kommen und Nussschalen sowie Bambus dienen als Basisstoffe für die Papierherstellung. Aber auch die herkömmliche Papierindustrie sorgt für einen nachhaltigen Baumbestand. „In der Papierindustrie ist Nachhaltigkeit seit Langem ein Thema. Vor allem in der nordeuropäischen Forstindustrie wird extrem darauf Wert gelegt, dass die Wälder nachhaltig bewirtschaftet werden und somit das ökologische Gleichgewicht gewahrt wird“, sagt Daniel von Stamm.
Edle Magazine betören die Sinne und den Geist. Und sie sind gerade in digitalen Zeiten ein analoges Vergnügen, mit dem sich die Menschen beschenken. Sabine Kühnl, Chefredakteurin des Modebranchen-Magazins „The Spin Off“, sagt treffend: „Printausgaben sind ein wenig wie vor hundert Jahren die Kutsche im Vergleich zum Auto. Nicht unbedingt altmodisch, sondern eher wie eine Ausnahme, eine Besonderheit, etwas Wertvolles!“
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